Helmut Lutz, Elisabeth Anselm und Anna Parr bei der Pressekonferenz zu 24h-Betreuung

v.l.n.r.: Helmut Lutz (Malteser), Elisabeth Anselm (Hilfswerk), Anna Parr (Caritas Österreich)

Caritas, Hilfswerk und Malteser fordern politische Verantwortung für 24-Stunden-Betreuung ein!

Aktuelle Förderpolitik zeitigt verheerende Konsequenzen. Sozialorganisationen legen Praxisbefunde und Vorschläge vor – und fordern Politik dringend zum Handeln auf.

Die Sozialorganisationen Caritas, Hilfswerk und Malteser Care, richten in ihrer Pressekonferenz, heute, Mittwoch, 15. März, einen dringenden Appell an die Politik: Das Wegschauen im Bereich der 24-Stunden-Betreuung müsse ein Ende haben. Betroffene Familien haben ihre Belastungsgrenzen erreicht. Seit 2007 ist die Förderung kein einziges Mal erhöht worden. Die nun angekündigte Erhöhung der Förderung von monatlich 90,- Euro auf 640 Euro sei nur der sprichwörtliche „Tropfen auf den heißen Stein“, meinen die Sozialorganisationen. Überdies stehe die im Regierungsprogramm vorgesehene Qualitätsoffensive noch aus. Die Organisationen legen konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Situation auf den Tisch. Neben einer vollen Valorisierung umfasst das Paket auch Maßnahmen zur Sicherung der Qualität und fairer Honorare für die Betreuer/innen.

Caritas: Leistbarkeit der 24-Stunden-Betreuung sicherstellen!

Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich: „Die 24-Stunden-Betreuung braucht mehr als ein kleines Pflaster für all ihre offenen Wunden. Es braucht zuallererst eine echte politische Entscheidung, ob die 24-Stunden-Betreuung als dritte Säule neben mobiler und stationärer Pflege erhalten werden soll. Aus unserer Sicht ist das derzeit alternativlos – um die Wahlfreiheit der Betroffenen sicherzustellen, um eine weitere Überforderung von Pflegeheimen zu verhindern – und auch im Sinne der Leistbarkeit für die öffentliche Hand.“ Aktuell laufen Betroffene und ihre Familien aber Gefahr, aufgrund der massiven Teuerungswelle die Finanzierung nicht mehr zu stemmen, aber auch für die Betreuungskräfte fehlt es an fairer Bezahlung und verbesserten Arbeitsbedingungen. Erst die letzte, kürzlich vorgestellte Maßnahme der Pflegereform betrifft die 24-Stunden-Betreuung:  eine Erhöhung der Förderung für Betroffene um 90,- Euro monatlich. Parr: „90,- Euro bei einem realen Wertverlust von 230,- bis 250,- Euro sind inakzeptabel! Es braucht prioritär eine maßgebliche Unterstützung bei der Finanzierung. Wir fordern bundesweit die Erhöhung der Förderung auf zumindest 800,- Euro – entsprechend dem inflationsbedingten Wertverlust der letzten Jahre. Zudem braucht es eine Valorisierungsautomatik für die Zukunft. Nur so können sich Betroffene und ihre Familien die Betreuung auch leisten!“

Malteser: Qualitätsvolle und leistbare 24-Stunden-Betreuung ist ohne Alternative!

Für Helmut Lutz, Geschäftsführer von Malteser Care, ist eine finanziell und qualitativ belastbare Aufstellung der 24-Stunden-Betreuung ebenso ohne Alternative: „Wenn wir uns dazu bekennen, dass Menschen im Falle einer Pflegebedürftigkeit ihrem oft sehnlichsten Wunsch entsprechend zu Hause leben können, egal ob es sich um ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen oder Kinder mit chronischen Erkrankungen handelt, dann ist eine qualitätsvolle und leistbare 24-Stunden-Betreuung zwingende Notwendigkeit. Mittlerweile haben mobile Dienste wie die Hauskrankenpflege oder Heimhilfe Wartelisten auf Grund des Personalmangels, von stationären Einrichtungen und Pflegeheimen ganz zu schweigen. Es wäre schier unmöglich, die rund 30.000 Menschen, die derzeit 24-Stunden-Betreuung in Anspruch nehmen, anders zu versorgen“, sagt Lutz. Dass die Kosten eines Platzes im Pflegeheim jene der 24-Stunden-Betreuung in jedem Falle weit übersteigen, würde es darüber hinaus unverständlich machen, dass die 24-Stunden-Betreuung derart schlecht gefördert werde. „Wenn die Politik nicht ehestmöglich handelt und die Förderung entsprechend anpasst, dann werden alle Errungenschaften der letzten 15 Jahre ausgelöscht und der Bereich wird in die Schattenwirtschaft abrutschen“, weiß Lutz aus Erfahrung.

Hilfswerk: Fortsetzung der restriktiven Förderpolitik wäre verantwortungslos!

Elisabeth Anselm, Geschäftsführerin des Hilfswerk Österreich, bestätigt die Einschätzung: „So lange es Betreuer/innen gibt, die sich für eine Tätigkeit in der 24-Stunden-Betreuung entscheiden, und solange es Betroffene und Angehörige gibt, die diese Unterstützung annehmen wollen, werden sich selbige finden. Die Politik hat es in der Hand, ob sich diese Menschen auf dem Schwarzmarkt finden, wie vor 2007, oder in einem legalen, transparenten und qualitätsgesicherten Rahmen.“ Es sei schlicht verantwortungslos, die restriktive Förderpolitik fortzusetzen, und damit nicht nur der Wiederkehr der Schattenwirtschaft in der 24-Stunden-Betreuung, sondern auch dem Abgang von Betreuer/innen in andere Länder Vorschub zu leisten. „Vielen Betroffenen fehlt der Spielraum für die Bezahlung entsprechender Honorare. Die Honorare stagnieren. Wir haben zwischen 2019 und Ende 2022 rund 3.000 Betreuer/innen an andere Staaten verloren“, erklärt Anselm. Jenseits einer Erhöhung der Förderung sei es dringend angezeigt, die begleitende Qualitätssicherung durch Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegekräfte in einem definierten Umfang abrechenbar zu machen, d.h. zu finanzieren. „Qualität und Sicherheit dürfen keine Frage des Geldes sein“, ist Anselm überzeugt.

 

Die geforderten Maßnahmen im Überblick

Das Maßnahmenpaket der Sozialorganisationen zur 24-Stunden-Betreuung umfasst:

  1. Eine „echte“ (volle) Valorisierung von Förderung, d.h. eine Anhebung der monatlichen Förderung auf mindestens 800,-  Euro (um den Wertverlust von 2007 bis 2022 aufzuholen) sowie eine Valorisierung der Einkommensgrenze als Zugangskriterium zur Förderung, sowie die Etablierung einer Valorisierungsautomatik,
  2. die Abrechenbarkeit bzw. Finanzierung von bis zu drei Qualitätsvisiten durch Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen pro betreuter Person im Quartal,
  3. die Schaffung von zweckgewidmetem finanziellem Spielraum bei den Fördernehmer/innen für entsprechende Honorare für Betreuer/innen, d.h. Zusatzförderung mit Bindung an Honoraruntergrenze („Fairnessbonus“ mit Verpflichtung zum Nachweis),
  4. die Weiterentwicklung des Qualitätszertifikates ÖQZ-24, das im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz seit 2019 besteht und als Anknüpfungspunkt für ein reformiertes Fördersystem dienen kann.